Heute begleitet uns Kalendergirl JennyLove durch den Tag!
Aus Anlass des Gedenktages gibt es allerdings kein Gewinnspiel, dafür aber ein besonderes Gratis Geschenk – eine Kerze, die den heutigen Gedenktag symbolisieren soll. Wir würden uns freuen, wenn Ihr von diesem Geschenk reichlich Gebrauch macht! In unseren FAQ erfährst Du, wie das funktioniert.
Und nun überlassen wir das Wort der Bloggerin Ariane G., die uns folgenden Beitrag zum 17. Dezember geschrieben hat.
Ein Tag, den keiner kennt
Man liest von den Tätern in der Zeitung und es klingt wie ein Kriminalroman … Gewalt gegen SexarbeiterInnen ist eine – mitunter tödliche – Realität und auch die Opfer haben Namen!
Über Prostitution zu sprechen ist schwierig. Man tuschelt augenzwinkernd über das „älteste Gewerbe der Welt“, sorgt sich stirnrunzelnd über Zwangsprostitution – Sexarbeit als Dienstleistung selbständig arbeitender Frauen zu sehen, passt nicht ins Bild.
Heute jährt sich der von Dr. Annie Sprinkle in den USA ausgerufene Gedenktag, der den Sexarbeitern und Sexarbeiterinnen in aller Welt gedenkt, die in
Ausübung ihres Jobs Gewalt erfahren, auch zu Tode kommen. Zur konkreten Kundengewalt gesellt sich die strukturelle Gewalt durch staatliche Behörden, Polizeigewalt, aber auch das Stigma, das viele in die soziale Isolation treibt. Der Gedenktag ist zugleich mit der Aufforderung verbunden, diese Gewalt zu stoppen.
Ständige Kontrollen, Arbeitsverbote, Abschiebungen, Missachtungen des Datenschutzes, Verletzungen der Privatsphäre, beleidigende und herabwürdigende Behandlungen sind Ausdruck dieser gefährlichen Haltung, die den Schutz der Rechte von SexarbeiterInnen vernachlässigt. Es gibt in einigen Städten Europas regelrechte Gewaltausbrüche. Die brutalen Angriffe auf Sexarbeiterinnen, z.B. in Österreich, verdeutlichen die dramatischen Konsequenzen der gesellschaftlichen Abwertung und rechtlichen Diskriminierung.
SexarbeiterInnen werden Pflichten aufgebürdet, ihre Rechte werden aber ignoriert und durch die gesetzliche Regelung und ihre Umsetzung verletzt.
Die allgegenwärtige Doppelmoral im Umgang mit Sexarbeitern, deren Dienste gerne in Anspruch genommen werden, ist Ausdruck einer gesellschaftlichen und politischen Diskriminierung von SexarbeiterInnen, die zu lebensgefährdenden Lebens- und Arbeitsbedingungen führt. Die Hauptverantwortung für diese Situation liegt bei politischen EntscheidungsträgerInnen, die SexarbeiterInnen aus den Diskussionen um ihre grundlegenden Rechte ausschließen und die bestehenden Menschenrechtsverletzungen ignorieren.
Selbst in Deutschland, wo das 2002 in Kraft gesetzte Prostitutionsgesetz eine gewisse Rechtssicherheit schaffen sollte und für die Prostitutionsbewegung ein Meilenstein ist, wird dieses Bundesgesetz auf lokaler Ebene meist unterlaufen. Mit erschreckenden Konsequenzen für die Sexarbeiterinnen. So haben Verantwortliche des Hilfe & Support-Internetforums für professionelle Sexarbeit www.sexworker.at langjährig Stellungnahmen (Schattenberichte) bei den Vereinten Nationen eingebracht, die Missstände in Deutschland aufzeigt. In diesen Schattenberichten, die mit zahlreichen Fällen dokumentiert sind, wird kritisiert, dass Sexarbeiter zwar Steuern und Sozialabgaben leisten müssen, dass sie aber durch Stigmatisierung und faktische Kriminalisierung in ihren Menschenrechten benachteiligt werden.
Durch Sperrbezirksverordnungen, wie in München, wurde Sexarbeit in Industriegebiete verbannt, wo Sexarbeiter kriminellen Angriffen ungeschützt ausgesetzt sind. Sexarbeiter werden bestraft, wenn sie z.B. in ihren Wohnungen oder den Wohnungen ihrer Kunden tätig sind. Um die Sperrgebietsverordnungen durchzusetzen, missbrauchen die Polizeibehörden der Länder die Befugnisse zur Bekämpfung des Menschenhandels. Gegen Sexarbeiter werden systematisch verdeckte Ermittlungen geführt. Die Begleitumstände dieser Ermittlungen sind vielfach erniedrigend, insbesondere durch erzwungene Nacktheit von Frauen vor männlichen Polizeibeamten. Es gibt weder wirksame Beschwerdemöglichkeiten für die Sexworker, auch nicht gegen ungerechtfertigte Hausdurchsuchungen, noch irgendwelche Vorkehrungen, um sie vor Traumatisierung durch solche Polizeimaßnahmen oder Übergriffe durch Polizeibeamte zu schützen.
Ausländische Sexarbeiter leiden zusätzlich unter rassistischen Vorurteilen bei den Polizeibehörden. Bei einer Aktion im Jahr 2009 gegen Sexarbeiter, vorwiegend aus Rumänien, und ihre Kunden in Fellbach, Heidelberg, Schönefeld und Wuppertal wurden 440 Frauen und Männer durch erzwungene Nacktheit erniedrigt und somit in ihrer Menschenwürde verletzt. In Köln richten sich Schleierfahndungen regelmäßig und gezielt gegen Sexarbeiter aus Afrika. Statt Menschenhandel aufzuklären, können solche Maßnahmen die Opfer von Menschenhandel in Furcht vor Kriminalisierung versetzen und sie davon abhalten, sich an die Polizei zu wenden. Diese Politik der Länder führt nachweisbar zu Gesundheitsfolgen für Sexarbeiter. Insbesondere ausländische Sexarbeiter wagen aus Angst vor den Behörden häufig nicht, die Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen: Die Politik der Länder stellt eine faktische Zugangshürde dar, die zu einem schlechteren Gesundheitszustand führt.
Die Politik der Länder verstärkt die Stigmatisierung der Sexarbeit. In Bezug auf die Rechte ergeben sich dadurch Benachteiligungen für Sexarbeiter: Banken können Sexarbeitern die Kontoführung verweigern und so ihren Ausschluss aus dem sozialen Leben einleiten. Rechtliche Sonderregelungen, wie das „Düsseldorfer Verfahren“, unterstellen Sexarbeitern die Absicht zu Straftaten und Steuerhinterziehung. Sexarbeiter haben auch nur einen eingeschränkten Zugang zum Recht: Opfer von sexueller Ausbeutung, wie eine als Kind im Bordell missbrauchte Frau aus Dresden, oder Polizeibeamte, die Opfern helfen – wie in Würzburg, riskieren Bestrafung, wenn sie gegen die Peiniger vor Gericht aussagen, weil vor vielen Gerichten Sexarbeiter von vorne herein als unglaubwürdig gelten.
Das Sexworker-Forum ist auch besorgt über Vorhaben der Länder, Sexarbeiter zu registrieren und eine Untersuchungspflicht einzuführen, weil solche Maßnahmen internationalen Richtlinien widersprechen und die Menschenwürde der Sexarbeiter beeinträchtigen können. Dies ist aktuell auch Inhalt im Eckpunktepapier der Bundesregierung, bezogen auf die Neuregelung der Prostitutionsgesetzgebung.
Daraus folgen konkrete Fragen und Handlungsaufforderungen:
Welche Maßnahmen plant die Regierung, um die sozialen Rechte und Arbeitsbedingungen der Sexarbeiter zu verbessern und sie besser vor kriminellen Übergriffen zu schützen? Wie wird die Regierung die Achtung der Rechte von Sexarbeitern im Umgang mit Behörden fördern und insbesondere den behördlichen Missbrauch von Maßnahmen gegen Menschenhandel eindämmen? Hierzu wäre es sinnvoll, Experten und Expertinnen, also Sexarbeiter, in die Diskussion einzubinden, um Problemlösungen zu entwickeln.
Nur Rechte schützen SexarbeiterInnen vor Gewalt!
Hintergrundinformation:
“International Day to End Violence Against Sex Workers”:
Der 17. Dezember wurde ursprünglich als Gedenktag für die Opfer des „Green River“-Mörders in den USA begangen, der in den 1980er und 1990er Jahren über 90 Frauen ermordete. Die meisten der Opfer waren Sexarbeiterinnen und es dauerte 20 Jahre, bis der Mörder verurteilt wurde. Seit 2003 wird der 17. Dezember mit Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen weltweit als Aktionstag begangen, um auf die Gewaltverbrechen aufmerksam zu machen, die gegenüber SexarbeiterInnen begangen werden und durch die Stigmatisierung und Kriminalisierung von SexarbeiterInnen verstärkt werden.
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